Do, 23.11.2023

Verleihung der ULI Germany Leadership Awards 2023

Für ihre Forschungshäuser in Bad Aibling sind Prof. Florian Nagler und Dr. Ernst Böhm vergangene Woche mit dem diesjährigen ULI Leadership Award gewürdigt worden. Caspar Schmitz-Morkramer hatte die große Ehre die Laudatio zu halten und die Auszeichnung zu überreichen.

Auf der Bühne des Berliner Wintergarten Variéte standen am Abend der feierlichen Verleihung des ULI Germany Leadership Awards 2023, initiiert vom Urban Land Institute Germany, bekannte Größen. So etwa Hannah Helmke, Co-Founder und CEO von right°, die den Preis in der Kategorie Young Leader entgegennehmen durfte. Ebenso Jan Gehl als einer der wichtigsten Theoretiker für Urban Design in der Kategorie Stadtplanung oder Iris Schöberl (Managing Director Germany, CT Real Estate Partners GmbH & Co. KG) in der Kategorie Immobilienwirtschaft. Für sein Lebenswerk wurde Dr. Georg Reutter, ehemaliger Vorstandsvorsitzender DZ HYP, ausgezeichnet.

In seiner Laudatio für die Preisträger der Kategorie Urban Innovation fand Caspar für Dr. Ernst Böhm, Gründungsgesellschafter der B&O Gruppe, und Prof. Florian Nagler, Lehrstuhl für Entwerfen und Konstruieren, TU München und Geschäftsführer Florian Nagler Architekten GmbH, mit ihren Forschungshäusern „Einfach Bauen“, Bad Aibling, folgende Worte:

„Meine Damen, meine Herren, liebe Gäste des ULI Leadership Awards,

kennen Sie das Bild „Treppauf, treppab“ von M.C. Escher? Diese unmögliche Treppe, die man, während man sie hochsteigt, runtersteigt? Dialektik als Bild. Es ist kein Zufall, dass mir das hier und jetzt in den Sinn kommt, bei der dankbaren und ehrenvollen Aufgabe, unsere Preisträger des ULI Germany Leadership Award 2023 in der Kategorie „Urban Innovation“ zu würdigen.

Die Moderne gab ein großes Versprechen: Ich beschleunige den zivilisatorischen Prozess, sagte sie. Ich entwickle Technik und Bürokratie, um sie zu euren Dienern zu machen, sagte sie. Ich gebe euch Kontrolle, Optimierung, Organisation. Ich mache euer Leben besser. Ich mache euer Leben einfacher.

Die Moderne hat geliefert, keine Frage. Sie ist eine tolle Treppe gewesen. Dummerweise begannen wir sie irgendwann herabzusteigen, während wir hochstiegen. Technik und Bürokratie erscheinen heute zunehmend als Fluch. Wer steigt noch durch? Wer dient wem? Wird uns unser Leben einfach oder schwer gemacht? Gerade Architekt:innen und Bauherr:innen wissen, was ich meine. Unsere beiden Preisträger wissen das noch besser.

Wir haben heute 3000 DIN-Normen. DIN 105-5 gibt der Leicht-lang-loch-ziegel-platte ihre Rechte. Gut für sie. Für uns nicht. Für uns sind noch mehr Vorschriften, noch mehr Gebäudetechnik, noch mehr Material und Materialverbrauch schlecht. Kontrolle schlägt um in Kontrollverlust. Wir sind zunehmend Objekt statt Subjekt. Und hier in Berlin wird’s, wie überall, jedes Jahr wärmer.

Das Gesetz der Treppe aber ist unantastbar. Es gibt nur eine Richtung. Wir können nur vorwärts, nicht zurück. Aber vielleicht kann man nach vorne, indem man ein paar Schritte zurücksetzt. Kaum ein Architekturprojekt hat das ernster genommen und besser gemacht als das gemeinsame Projekt unserer Preisträger.

Einstein soll gesagt haben: „Man soll die Dinge so einfach wie möglich machen, aber nicht einfacher.“ Das scheint mir ein treffendes Motto für das Projekt zu sein. Herausragend daran finde ich, dass es nicht nur Information, sondern auch Inspiration spendet. Ästhetische und konstruktive Inspiration zum Beispiel, die beweist, dass man Emotion und Emission keineswegs gegeneinander ausspielen muss. Philosophische, intellektuelle Inspiration. Denn „So einfach wie möglich“ heißt für den Menschen der Moderne eben etwas ganz Anderes als für den Menschen des Mittelalters. Heute ist mehr möglich, aber auch mehr nötig. Die Forschungshäuser unserer Preisträger zwingen uns, darüber nachzudenken, was wir wollen und brauchen; was wir müssen und können. Und wie sich das zueinander verhält.

Der eine Geehrte hat einen überragenden Wissens- und Experimentierdrang; seine Ver-bindung von Nachhaltigkeitstheorie und -praxis macht ihn zu einem bundesweit bekannten Vorbildarchitekten. Der andere hat überragenden Mut und Überzeugungs-stärke; Anfang der 90er Jahre konnte sein 250-köpfiges Dachdeckerteam in München nicht mit dem Preisdruck durch die neuen Bundesländer mithalten. Er steckte nicht den Kopf in den Sand, sondern machte aus Dachdeckern Hausmeister. Heute betreut die Service-Sparte seines Unternehmens B&O 600.000 Wohnungen bundesweit. Da weiß man vor allem, was Technik auch in Bezug auf Wartung bedeutet. Der logische Schritt war die Gründung einer Bau-Sparte, die schlüsselfertige Baulösungen im Wohnungsbau anbietet, sich als Treiber der Bauwende versteht und einfach nur „einfach“ bauen will.

Beide, den Architekten und den Bauherren, verbindet unter anderem ihre große Neugier. Ursprünglich sollten die Forschungshäuser auf einem Gelände der Technischen Universität München in Garching entstehen. Als die Baugenehmigung aber immer länger auf sich warten ließ, hat der Bauherr dem Architekten ein Angebot gemacht, das der zum Glück wohl nicht ablehnen konnte. Dieser Handschlag macht das Projekt ebenfalls so inspirierend: Es zeigt, was möglich wird, wenn die richtigen Menschen und die richtigen Werte aufeinandertreffen. Wenn Bauherr und Architekt nicht einfach nur gut zusammenarbeiten, sondern gewissermaßen selbst den Strang flechten, an dem sie gemeinsam ziehen. Diese Allianz ist enorm wichtig und wirksam.

Denn aus e-norm kann ich auch E-Norm machen. Und eine E-Norm ist genau das, was wir den tausend DIN-Normen entgegensetzen müssen. Um die Bayerische Architektenkam-mer zu zitieren: „Die Einführung des Gebäudetyps E schlägt eine Schneise in das Dickicht der Normen beim Planen und Bauen.“ Es besteht kein Zweifel daran, dass die Idee vom Gebäudetyp E, der E-Norm, ohne unsere Preisträger und ihre Forschungshäuser nicht annähernd so viel Wirkmacht hätte!

Den ULI Germany Leadership Award 2023 in der Kategorie Urban Innovation gewinnen die Urheber des Projekts „Forschungshäuser Einfach Bauen, Bad Aibling“. Ich bitte um einen kräftigen Applaus für Professor Florian Nagler und Doktor Ernst Böhm!“

Weitere Informationen zum Award gibt es hier.

Copyright: Stefan Wieland Fotografie